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Zur denkwürdigen Sonder-Stadtratssitzung im Goldenen Saal am 12.02.2016 …

 

12.02.2016
Rede von WSA-Stadtrat Peter Grab, der als Einziger das Vorgehen des Oberbürgermeisters in der heutigen Stadtratssitzung kritisierte und mehr Toleranz sowie demokratische Grundwerte einforderte

Zunächst bedanke ich mich sehr herzlich bei den eingeladenen Gästen für ihr Kommen und für ihre richtigen und wichtigen Reden!

Trotz aller schon erwähnten Symbolik ist dies hier letztlich eine formelle Stadtratssitzung, in der traditionsgemäß und wie in einer Demokratie selbstverständlich üblich – auch unterschiedliche Meinungen vorgetragen werden.
Herr Oberbürgermeister, ich hätte mir gewünscht, diese Meinungen im Kontext Ihrer am Anfang der Sitzung gehaltenen Grundsatzrede austauschen zu können und nicht erst am Schluss der Sitzung unter „Verschiedenes“. Aber so ist es eben …

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Gäste, sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, liebe Kolleginnen und Kollegen. Hinsichtlich der Begründung dieser Stadtratssitzung und diverser Begleiterscheinungen bin ich anderer Meinung als der Oberbürgermeister und offensichtlich große Teile des Plenums. Um es gleich vorweg zu nehmen:

Redeverbote sind einer Friedensstadt nicht würdig!

Ich komme aus einem Land, in dem Redeverbote gang und gäbe waren. Darum sehe ich die Versuche der letzten Tage offenbar kritischer als die Stadtregierung. Und ich füge hinzu: Symbolik darf zumindest bei politischen Repräsentanten meiner Ansicht nach eben nicht höher gewertet werden als Prinzipien der Demokratie – auf jeden Fall bei zugelassenen und in den Augsburger Stadtrat von unseren Bürgerinnen und Bürgern gewählten Abgeordneten. Ich halte es nicht für in Ordnung, dass durch die Terminlegung dieser Stadtratssitzung es den am meisten betroffenen Stadträten praktisch verunmöglicht wird, daran teilzunehmen und sie so ihrer eventuell anderen Meinungsäußerung in diesem Plenum zu berauben. Darüber kann auch nicht hinweg täuschen, dass der Stadtrat früher tagt, denn alle Politiker hier im Saal wissen aus eigener Erfahrung, was es bedeutet, einen lange zuvor angekündigten und genehmigten Neujahrsempfang mit Hunderten von Interessierten zu organisieren bzw. vorzubereiten. Ich kann nicht umhin als zu sagen, Demokratie stelle ich mir anders vor. Und zwar auch gegenüber Andersdenkenden! Wer so anfängt, kommt über kurz oder lang in Teufelsküche bei künftigen Abgrenzungsnöten.

Ich bezweifle auch, dass die neue heute als Tischvorlage (!) vorgelegte Benutzungsordnung, die in keinem offiziellen Gremium vorberaten wurde, ein wirksames Mittel sein wird, auch künftig einen Redeauftritt wie z. B. einen von Frauke Petry zu verhindern – zumindest kein Mittel, das einer gerichtlichen Überprüfung standhalten kann.

Warum also das Ganze? Und warum diese Eile, statt in der gebotenen Ruhe den üblichen Gang von Beschlussvorlagen zu ermöglichen – insbesondere bei solch heiklen Hintergründen zu den Themen Demokratie, Recht und Gesetz.

Noch ein Wort zum hohen Gut der Demokratie, deren jegliche Unterhöhlung ich ablehne: Ich habe es schon in der letzten Legislaturperiode als Missachtung dieses hohen Guts, aber auch des hohen Rats gesehen, bei unliebsamen Abstimmungen bzw. Themen einfach fernzubleiben – trotz Anwesenheitspflicht. Darum bin ich heute hier, anders als einige Andere, die wohl thematisch eher meiner Meinung sind. Ich bin hier jedoch nicht, um damit meine Zustimmung zur Begründung dieser Stadtratssitzung und zur ganzen Vorgehensweise zu signalisieren, sondern um die demokratischen Prinzipien hochzuhalten. Wer nicht zur Wahl geht, schadet bekanntlich nicht nur sich selbst, sondern auch der Demokratie. Gleiches gilt aber auch dem Fernbleiben von formal einberufenen Parlamentssitzungen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, erst in der letzten Stadtratssitzung wurde mit sehr großer Mehrheit ein Antrag der Linken vom Oberbürgermeister nicht zugelassen, als diese für Frauke Petry ein Hausverbot forderten. Die Begründung des Oberbürgermeisters war, dass für einen solchen keine rechtliche Grundlage bestünde und es außerdem der AfD zu viel Aufsehen verschaffe, was man ja nicht möchte. Warum also nur kurze Zeit später das gegenteilige Handeln unseres Stadtoberhaupts? Wie vom Verwaltungsgericht bestätigt, hat sich an der mangelnden rechtlichen Grundlage bis heute nichts geändert. Umso mehr greift aber seine frühere Warnung, dass man mit dem aktuellen Vorgehen der AfD zu viel Aufsehen verschaffte!

Wenn in einer Friedensstadt die Demokratie und der Frieden hochgehalten werden, so müsste dies eigentlich für alle, also auch für den Auftritt der AfD-Parteivorsitzenden gelten (per Factum ist die AfD nach den Regeln unserer Gesetze eine demokratisch legitimierte Partei, die in einigen Landtagen und im Europaparlament vertreten ist und bis jetzt nicht einmal vom Verfassungsschutz beobachtet wird). Oder sind Demokratie und Frieden etwa je nach Gustus und von Kommune zu Kommune interpretierbar?

Dieses zweierlei Maß Anlegen hatte und hat m. E. schlimme Folgen. Einen Teil der Bevölkerung kann man mit solch populistischen Mitteln sicher schnell begeistern, ohne reflektieren zu müssen, ob man damit demokratische Grundwerte verletzt – und damit eigentlich genau das tut, was man der AfD gerne vorwirft.

Es ist nur menschlich, wenn man seiner Abneigung gegen die Person Petry gerne Luft verschaffen möchte und irgendwo im Inneren sogar eine gewisse Sympathie für das Handeln des Oberbürgermeisters entwickelt. Doch wenn man kurz inne hält und reflektiert, was da gerade wirklich aus rechtsstaatlicher Sicht in unserer Stadt passiert, dann kann es einem bange werden.

Möchte ich, möchte unsere politische Bürgervereinigung WSA Frau Petry im Augsburger Rathaus reden hören? Nein, sicher nicht. Denn genau ihre Thematisierung des Waffengebrauchs an den Grenzen war es, die das Fass zum Überlaufen brachte hinsichtlich der Kündigung der Ausschussgemeinschaft vor vier Tagen.

Doch Demokratie und Grundrechte wie die Meinungsfreiheit sind nun mal nicht disponibel und gelten für jedermann – was nun einmal auch unser OB nicht nur wissen, sondern auch respektieren und vorbildlich leben muss.

Darum ist das bisherige Vorgehen des Oberbürgermeisters und diese Stadtratssitzung nicht die Lösung für den unbeliebten Besuch in Augsburg.

Vielmehr trägt dieses Vorgehen zur weiteren Spaltung der Gesellschaft bei. Mit populistischen und kurzsichtigen Maßnahmen zu agieren, ist keine wirklich kluge und weitsichtige Politik. Und sie ist einer Friedensstadt Augsburg nicht würdig.

WSA ist für das Zusammenführen möglichst Vieler, die nun auch in unserer Friedensstadt auseinander driften. WSA ist für Frieden und Demokratie sowie gegen Hass und Intoleranz. Letztere nehmen leider quer durch alle Gesellschaftsschichten immer mehr zu. Und daran hat aber nicht nur die AfD ihren Anteil …

Wir fordern die ÜGroKo und den Oberbürgermeister auf, die Gesellschaft wieder zusammenzuführen, statt zur Polarisierung selbst beizutragen – erst Recht im Namen unserer Friedensstadt!

Apropos Friedensstadt: Welche zwei Schlagzeilen fielen diesbezüglich in den heutigen Medien auf?

In München wurde gestern und heute über einen Waffenstillstand in Syrien verhandelt. Und in Augsburg wurden gestern und heute ein Redeverbot und das Verbot eines Neujahrsempfangs vom zuständigen Gericht aufgehoben.

60 Kilometer entfernt verhandelt man also über den Frieden und in Augsburg verhandelt man über Redeverbote. Jeder und jede, liebe Kolleginnen und Kollegen sowie Sie, liebe Gäste, können selbst urteilen, ob München oder Augsburg besser rüber kommt als Frieden stiftende Stadt …

Zu guter Letzt schlage ich hiermit vor, dass die sich aus der heutigen Stadtratssitzung ergebenden Stundenentschädigungen an die Stadträtinnen und Stadträte von denselben einer gemeinnützigen Organisation gespendet werden, die sich gegen Hass und Gewalt engagiert. Angesichts der Nachrichten aus Aleppo wären beispielsweise die „Ärzte ohne Grenzen“ denkbar.

Hier ist die obige Rede als PDF-Datei zum Herunterladen:
Rede Peter Grab Stadtrat Sondersitzung 12.02.2016

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